2.8. Es geht von Dagobertshausen nach Homberg (Efze) – (15 km)
Nach dem Frühstück zeigt uns Frau Lenz Ihre Umbauarbeiten am Haus. Sehr originell und echt interessant. Das Haus ist echt groß und Sie lebt bisher nur im kleineren und älteren Teil des Hauses. Bisher haben wir schon mehrere ähnliche Schmuckstücke in den Dörfern entlang des Elisabethweges gesehen. Wirklich erstaunlich was manche so aus Ihren alten Bauernhäusern hervorzaubern.
Wir brechen spät auf, aber wir haben heute auch nur 15 km vor uns. Für Jana wird es jedoch sicher nicht leicht werden, denn mit Schmerzen können auch 15 km sehr lang werden. Ich wusste schon nach kurzer Zeit, dass es in mir brodelt und ich meine Zeit allein zu laufen brauche um mich zu zentrieren und den Knoten aufzulösen. Deswegen geht Jana schon mal vor und ich schreibe noch ein wenig Tagebuch um mich dann später auch auf den Weg zu machen.
Nach ein paar nachgetragenen Tagen im Tagebuch gibt der Stift seinen Geist auf und ich werte das als Zeichen loszugehen.Wir treffen uns in Ostheim an der Dorfkirche wieder. Vor der Kirche steht eine sehr alte Linde, die den Eingang als eine Art Baldachin und Portal schmückt. Ihre Äste müssen schon gestützt werden und dienen sozusagen als Laubengang für das Eingangsportal zur Kirche.

Jana geht den Weg weiter und ich schaue mir noch die Kirche von innen an. Im Gästebuch sehe ich dass Sie mir einen lieben Gruß geschrieben hat. Ich bin mittlerweile ruhig und ausgeglichen, denn ich weiß das ich eine Entscheidung getroffen habe. Bis Mosheim werde ich jedoch noch mit dieser Entscheidung allein bleiben, bis ich Sie Jana mitteilen kann.

An dem Elisabethwegekreuz kurz hinter Ostheim, treffen Jana und ich wieder zusammen. Ich schlage Ihr vor in Homberg (Efze) den Weg komplett abzubrechen, da nicht abzusehen ist dass sich Ihre Schmerzen bessern werden. Nach anfänglichem zögern, da Sie sich so auf den Weg gefreut hatte, stimmt Sie mir jedoch zu und uns fällt beiden eine Last ab.
Die restlichen Kilometer bis Homberg (Efze) scheinen jetzt nur noch ein Kinderspiel zu sein. Und mit frischem Mut gehen wir unserem Ziel der nun geänderten Pilgerfahrt zu. Ja auch das gehört zum Pilgern. Loslassen an festen Plänen und so manchen Vorstellungen. Das Leben geht eben oftmals eigene Wege und es ist an uns die Zeichen zu erkennen anstatt verkrampft der geplanten Richtung zu folgen.


Vorbei an wunderschönen Feldern und durch weite Flur gehen wir unserem Ziel entgegen. Kurz vor Homberg (Efze) geht es nocheinmal gut bergab und für Jana wird dieses Stück zur echten Tortur. Streckenweise nehme ich Ihr den Rucksack ab um das Bein zu entlasten. Ein wenig hilft es. Aber am meisten Zieht das nahe Ziel was wir schon in der Ferne gut erkennen können.
Kurz vor Homberg (Efze) treffen wir noch auf einen Pilger, der sich in umgekehrter Richtung von Marburg nach Eisenach auf den Weg gemacht hat. Er erzählt uns, dass er den Weg bereits mit dem Fahrrad gemacht hatte und nun die Schönheit des Weges zu Fuß erkunden möchte. Mir fiel dazu gleich das Buch „ich bin da noch mal hin“ von Anne Butterfield ein. Er läuft die Umgekehrte Richtung weil er so hofft mit mehreren Pilgern zusammen zu treffen. Da er uns getroffen hat, scheint das ja auf zu gehen. In Homberg (Efze) hat er das Freibad kurz zuvor besucht und meinte uns könnte diese Abkühlung ebenfalls gut bekommen. Ich überlege noch kurz aber Jana hat schon das „white line fever“ und ich kann es gut verstehen.

Als wir in Homberg (Efze) ankommen und endlich in einem Zimmer eingecheckt haben, sind alle Strapazen wie weggeblasen. Gut Janas Schmerzen im Knie sind natürlich nicht von einem Moment auf den nächsten weg, aber wir wissen es kann jetzt nur noch besser werden. Und das motiviert.
In der Elisabethkirche holen wir uns noch unseren letzten Stempel und gehen in unsere Pension. Nachdem wir das übliche Ritual mit Waschen und Kleider wechseln durchgeführt haben, gehen wir zum Abendessen in die Stadt.
Die Stadt enpuppt sich als ein echtes Kleinod mit vielen alten Fachwerkhäusern und einem wirklich schönen Innenstadtkern. Die älteste Kneipe hat allerdings zu und sucht Sponsoren um nicht dem Verfall alles irdischen anheim zu fallen.

Wir essen im Garten eines Türkischen Restaurants gegenüber der Elisabethkirche und lassen den Weg nocheinmal vor unserem inneren Auge revue passieren. Die kurze Pilgerzeit hat ihre Spuren in einer gelassenen Haltung und einem entschleunigten Rhythmus hinterlassen. Es ist immer wieder faszinierend wie schnell die Herauslösung aus dem Alltag bei der Wanderung geschieht.
Am Abend planen wir noch unsere Rückreise mit Bus und Bahn. Etwas traurig sind wir schon darüber, dass unsere schöne Zeit des Pilgerns jetzt vorbei sein soll. Aber auch aus diesem Weg gibt es Erkenntnisse die es Wert sind, in den Alltag hinüber gerettet zu werden.
Die Anblicke der Landschaft mit Ihren weiten Feldern, Wäldern und dem darüber gespannten Himmel sind Erinnerungen die wohl lange bleiben.
Buen Camino!

