Was hat Yiquan mit dem Jakobsweg zu tun? Beide Dinge sind scheinbar eher gegensätzlich. Yiquan ist ein chinesisches Gesundheits- und Kampfkunstsystem der inneren Schule und der Jakobsweg (Camino Frances) ist ein Wanderpfad in Nordspanien der sich von Saint Jean Pied de Port 800 km lang bis nach Santiago de Compostela erstreckt.
Als ich mich am 22.April 2012 dazu aufmachte den Jakobsweg zu gehen hatte ich großen Respekt vor den 800 km die dieser Weg bis Santiago de Compostela mißt.
Ich bin diesen Weg gegangen, weil es für mich „an der Zeit“ für diese Erfahrung war. Eine Art Auszeit aus dem Alltag gepaart mit der Erfahrung einer tiefen Erdung in den wesentlichen Dingen meines Lebens.
Abseits der eigenen Gründe für meinen Pilgerweg ist dieser Weg grundsätzlich zu vergleichen mit einer Form der Balancesuche und der Achtsamkeit. Und damit kommen wir zu dem Thema der inneren Schule.
Im Chinesischen bedeutet Yi – die Vorstellungskraft / Imagination und Quan – steht für die Kunst oder die Faust, welches auf die Kampfkunst hindeutet. Zentraler Inhalt von Yiquan ist die Vorstellungskraft bei den Übungen und deren Auswirkungen auf unser Muskel- und Nervensystem. Wichtig ist hierfür die gezielte Entspannung. Das ist jedoch ein großes Thema, weswegen ich hier auf Weiterführende Informationen zu Yiquan verweise.
Ich habe mich nun gefragt wie ich Yiquan auf meinem Weg einsetzen könnte um Verletzungen oder Überanstrengungen vorzubeugen.
Da sind mir die Prinzipien des Yiquan eingefallen. Die wichtigsten und vor allem beim laufen gut anwendbaren Prinzipen sind:
- Den Rücken anlehnen um so eine gerade Haltung der Wirbelsäule zu erreichen. Das ging beim laufen insoweit sehr gut, da ich einen Rucksack auf meinem Rücken hatte und das Gefühl des anlehnen sich ganz von allein einstellte.
- Der Kopf wird zum Himmel aufgezogen. Dies ist ebenfalls wichtig um die Haltung der Wirbelsäule zu unterstützen. Weiterhin wirkt diese Vorstellung dem langsamen „in sich zusammen sinken“ des Körpers entgegen, was sich unweigerlich unter einer Tragbelastung wie dem Rucksack einstellt. Da die Landschaft außerdem wunderschön ist, sieht man mit dieser Kopfhaltung auch etwas mehr als nur die Steine auf dem Weg.
- Den Oberkörper ein wenig nach vorn neigen und das Gewicht etwas mehr auf den Vorderfuß verlagern. Auch das ist insoweit mit einem Rucksack auf dem Rücken etwas einfacher, da man automatisch dazu neigt, den Oberkörper nach vorn zu neigen um der Zugbelastung des Rucksacks entgegen zu wirken. Wichtig fand ich dabei auch die Fußbelastung gleichmäßiger zu verteilen. Denn ein laufen ausschließlich auf dem hinteren Fuß führt bei hartem Untergrund zu unnötiger Gelenkbelastung bzw. sogar Überbelastung.
- Die Schultern sinken lassen und damit den Oberkörper entspannen. Jeder kennt das Gefühl einen schweren Rucksack oder eine Tasche zu tragen und dabei festzustellen, dass die Schultern sich langsam schmerzvoll verkrampfen. Eine Achtsamkeit gerade diese Partie zu entspannen bringt die Freude am laufen zurück, auch wenn der Rucksack manchmal schwer ist 😉
Die Anwendung dieser Prinzipien brachte bei mir eine ruhigere Gangart und eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Signale meines Körpers. Das bewirkte unter anderem dass der Rücken nicht so schnell ermüdete und die Schultern nicht so stark schmerzten.
Ebenfalls konnte ich feststellen dass ich bei kleinen anfangenden Schmerzen irgend einer Muskelpartie, diese durch Entspannung gezielt entlasten konnte ohne meine Gangart wesentlich zu verändern. Das hat mich wirklich fasziniert, denn bis dahin war mir noch gar nicht bewusst, welchen Einfluss das Training auf mein Muskel- und Nervensystem hatte.
Es gibt noch einiges was ich auf diesem Weg in dieser Hinsicht feststellen konnte. Jedoch würde das den Rahmen dieses Artikels unnötig vergrößern.
Buen Camino and keep on standing!

In Erfurt gibt es übrigens eine tolle Yiquan Trainingsgruppe. Informationen dazu findet Ihr unter http://www.yangsheng-erfurt.de/
Wie schwer war denn der Rucksack in etwa?
Bis Leon etwa 13-14 Kg und ab da hab ich entschieden das Postamt aufzusuchen und meine niemals gebrauchte aber treu mitgeschleppte Isomatte nach Hause zu schicken. Fühlte sich dann knapp 1 Kg leichter an und war es auch tatsächlich. Für weniger Gewicht häte ich einen kleineren Rucksack nehmen müssen, aber dann wäre ich wahrscheinlich auch nicht aus Deutschland gekommen 😉 Deutsche wurden meist an Ihren großen Rucksäcken erkannt.
Da hatte ich mir noch gar nie Gedanken gemacht, dass das etwas typisch Deutsches ist, aber wenn ich so an meine eigenen, immer viel zu großen und schweren Rucksäcke denke, scheint sich das Klischee zu bestätigen… 😉
Hier ein Beispiel für leichtes (undeutsches ;)) Packen:
http://zenhabits.net/family-travel/
Ich persönlich würde aber lieber viel schleppen, als meine Frau dazu zu überreden, weniger zu packen – ist am Ende weniger stressig 😉
Interessant, den Blogartikel hab ich auch schon gelesen und find es echt gut was die Familie da auf die Beine stellt.
Auf einem langen Weg wie dem Jakobsweg, ist jedes kilo zuviel aber wirklich lästig. Das verhindert unter Umständen auch das Gefühl den Rucksack gar nicht mehr zu spüren. Das hatte ich im letzten Drittel des Weges öfter mal. Dann kommt das Gefühl auf zu fliegen. Wow….
Ach so, das Problem zuviel mitzunehmen, löst sich auch für Frauen von alleine. Jeder schleppt sein eigenes Zeug. 😉